Offener Brief an die Abgeordneten des Sächsischen Landtages
Sachsen: Jetzt muss die Politik die Energie- und Klimawende aktiv gestalten – Erneuerbaren Energien als Chance für eine nachhaltige und langfristige Zukunft für das Energieland Sachsen
Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete,
sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter,
fast ein Jahrhundert bildete die unter vielen Entbehrungen und großer Kraftanstrengung aus der Erde geholte Braunkohle das Rückgrat unserer sächsischen Energieversorgung. Tausende Kumpel sorgten damit für eine sichere Energieversorgung. Eine Leistung, auf die sie zu Recht stolz sein können.
Durch den im letzten Jahr mit breiter politischer und gesellschaftlicher Basis beschlossenen Ausstieg aus der Braunkohle muss sich unser Energieland Sachsen nun neu erfinden. Es ist absehbar, dass die Basis dafür nur die Erneuerbaren Energien in Kombination mit verschiedenen Speicher- und Umwandlungstechnologien sein können. Bereits heute arbeiten über 15.000 engagierte Beschäftigte in Sachsen im Bereich Erneuerbare Energien und damit an einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung, die darüber hinaus dem Klimaschutz dient.
Ohne den Systemwechsel hin zu Erneuerbaren Energien wird sich unser Bundesland Sachsen zukünftig von einem Energieexporteur zu einem -importeur wandeln. Hierbei sei erwähnt, dass Sachsen im Jahr 2016 noch 15,7 Mrd. kWh Strom exportierte. Ohne den Zubau an alternativen Energieerzeugungskraftwerken werden zukünftig erhebliche finanzielle Mittel aus Sachsen abfließen und nicht mehr den regionalen Wirtschaftskreisläufen zur Verfügung stehen. In der Folge werden erhebliche Kaufkraft- und Wohlstandsverluste in allen Regionen des Freistaates Sachsen spürbar sein.
Dazu macht der aktuelle gesellschaftliche und politische Diskurs eines deutlich: Wir diskutieren nicht mehr darüber, ob Deutschland eine CO2- Steuer einführen wird, sondern nur noch das wann und wie. Diese Steuer wird umgehend die Kohleverstromung verteuern und die oben skizzierten Entwicklungen beschleunigen. Damit steigt sodann auch die Nachfrage durch Industrie und Handwerk nach Strom aus Erneuerbaren Energien, um national und international im Wettbewerb weiter bestehen zu können.
Der Ausstieg aus der Braunkohle und dem damit einhergehenden Strukturwandel, unterstützt mit erheblichen finanziellen Mitteln vom Bund und Europa, bietet jetzt die einmalige Chance, gemeinsam mit den Menschen vor Ort ein neues Energieland Sachsen aufzubauen. Zudem kann man diese Mittel nutzen, um Vorort Strukturen und Bedingungen zu schaffen, welchen den Menschen eine Zukunft und Arbeitsplätze in diesen ländlichen Regionen bietet. Davon würde also nicht nur das Klima, sondern auch nachhaltig die Bürger profitieren. Eine Chance, die ergriffen werden muss!
Die sächsische Politik und Sie als Abgeordneter des sächsischen Landtages sind nun aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen:
Die Grundlagen für den notwendigen Aufbau einer langfristig nachhaltigen und sozial ausgewogenen Energieversorgung für die Bereiche Wärme/Kälte, Mobilität und Strom müssen jetzt gelegt werden, will man das Heft des Handelns selbst in der Hand behalten. Am Umbau der sächsischen Energieversorgung auf Basis von 100% Energie aus dezentralen Erneuerbaren Technologien führt kein Weg vorbei. Denn nur die Erneuerbaren sind als einheimische Energieträger lokal und regional verfügbar und schützen gleichzeitig das Klima.
Wir als Vertreter von Verbänden, Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Klima- und Naturschutz sowie den Erneuerbaren Energien arbeiten bereits heute an dieser Vision und möchten der sächsischen Politik - und Ihnen als Abgeordneten dabei helfen, diese Vision zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen. Dafür müssen wir jetzt gemeinsam Verantwortung übernehmen, gemeinsam Handeln und die notwendigen Grundlagen und Rahmenbedingungen legen, um das Klima zu schützen und unseren Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Zukunft im Freistaat Sachsen zu bieten.
Unser Positionspapier mit konkreten Forderungen zur Umsetzung der Energiewende in Sachsen erhalten Sie als Anlage beigefügt.
Wir arbeiten gemeinsam an einem neuen Energieland Sachsen! Auf Basis von Erneuerbaren Energien und Innovation.
- Bundesverband Windenergie – Landesverband Sachsen
gez. Prof. Dr. Martin Maslaton
Vorsitzender BWE Landesverband Sachsen - Fachverband Biogas e.V.
Regionalgruppensprecher Sachsen
Fachverband Biogas e.V. - Wasserkraftverband Mitteldeutschland e.V.
gez. Alexander Düsterhöft
Präsident Wasserkraftverband Mitteldeutschland e.V. - Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbaren Energien VEE Sachsen e.V.
gez. Dr. Wolfgang Daniels
Präsident VEE Sachsen e.V. - Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
gez. Berthold Müller-Urlaub
Präsident Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. - Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen e.V.
gez. Dr. Hartwig Kübler
Vorsitzender Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen e.V. - Landesverband Nachhaltiges Sachsen e.V.
gez. Andreas W. Poldrack
Vorstandsvorsitzender Landesverband Nachhaltiges Sachsen e.V. - Verein Klimaschutz Sachsen e.V.
gez. Michael Winkler
Vereinsvorsitzender Verein Klimaschutz Sachsen e.V.
Programm zur Umsetzung der Energiewende in Sachsen
Stand: 27.06.2019
Wir fordern von der neuen Landesregierung, dass sie sich klar zum Schutz des Klimas mit der Einhaltung der Reduktion der CO2-Emissionen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen bekennt.
Dazu bedarf es:
- Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes mit klar definierten Zielvorgaben zur CO2-Reduzierung
- Festlegung von Zielvorgaben und klar definierte zeitliche Maßnahmen für die einzelnen Sektoren
Wir fordern, dass die SAENA als sächsische Energieagentur den Ausbau der Erneuerbaren Energien aktiv fördert.
Dazu bedarf es:
- Verstärkung einer positiven Öffentlichkeitsarbeit in allen verfügbaren Medien zum Ausbau Erneuerbarer Energien
- Beratung und Konfliktminimierung beim Ausbau der Erneuerbarer Energien
- Beratung für die Beteiligung und Teilhabe an Erneuerbaren Energieprojekten für Kommunen und Bürgern
- Intensivierung der Beratung von Bauherren zur Nutzung von EE-Erzeugungsanlagen in Kombination mit Speichern und der Elektromobilität
Wir fordern, dass die Genehmigungsverfahren für die Erneuerbaren Energien - Anlagen zügig bearbeitet werden.
Dazu bedarf es:
- Verbesserung der personellen und fachlichen Ausstattung der Behörden
- Konzentration der bundesimmissionsrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung in den Landesdirektionen
- einheitliche Richtlinien im Bereich des Natur- und Artenschutzes und Verwaltungsvollzug
- Grundsatz: Populationsschutz muss vor dem Individuenschutz stehen, denn Erneuerbare Energien = Klimaschutz = Artenschutz.
Wir fordern, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien marktfähig zu gestalten und die Direktabnahme von Strom aus Erneuerbaren Energien für Gewerbe/In-dustrie und Anwohner attraktiv zu machen und damit langfristig den Stromkunden zu entlasten.
Dazu bedarf es:
• Abschaffung der Umlagepflicht für Eigenbedarfsstrom und bei Direktlieferung (Selbstvermarktung durch Erzeuger)
• Beseitigung von Hemmnissen, wie z.B. doppelte EEG-Umlage auf Speicherprozesse und Schaffung von Anreizen für Lastmanagement
Wir fordern, dass die Potentiale der Sektorenkopplung zur Angleichung der volatilen erneuerbaren Stromerzeugung an den schwankenden Strombedarf für einen netzdienlichen Betrieb genutzt werden. Für die Marktetablierung sollten entsprechende Anreize über Förderprogramme gegeben werden.
Dazu bedarf es:
- Ausbau der Elektromobilität zur Kappung auftretender erneuerbare Energieerzeugungsspitzen und Unterstützung der Kommunen zur Errichtung der notwendigen Ladeinfrastruktur
- Förderung von Innovationen zur Einbeziehung der Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung sowie der Gebäudekörper als Speicher für erneuerbare Stromerzeugungsspitzen
- Entwicklung einer Strategie zur Errichtung von Langzeitspeichern zum saisonalen Energieausgleich
- Förderung von Power-to-X-Anlagen zur Absicherung des Energiebedarfs durch Einspeisung in das vorhandene Erdgasnetz und zur Modernisierung des ÖPNV und nicht elektrifizierter Zugstrecken
- Entlastung des EE-Stroms für Wärmepumpen von EEG-Umlage und Stromsteuer
Wir fordern, dass der Bestand von Bioenergieanlagen gesichert sowie ein moderater Zubau biogener Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ermöglicht wird. Flexible Bioenergieanlagen ermöglichen eine netzdienliche und verlässliche Erzeugung von Strom und Wärme.
Dazu bedarf es:
- Forcierung der Nutzung von KWK-Anlagen in Kombination mit Erneuerbare-Energien-Anlagen bei der Errichtung von Wohngebäuden mit einer entsprechenden Bauherrenverpflichtung in der Sächsischen Bauordnung
- Forschung und Entwicklung zur Nutzung von Biomethan im Verkehrssektor
Wir fordern, dass die Nutzung geothermischer Anlagen aktiv durch die Landesregierung befördert wird.
Dazu bedarf es:
- Unterstützung der Forschung durch Ausbau eines systematischen Erkundungsprogramms im Bereich der Tiefengeothermie
Wir fordern, dass die Potentiale zur Nutzung der Windenergie als eine der kostengünstigsten und effizientesten Stromgewinnungsformen in Sachsen genutzt werden können.
Dazu bedarf es:
- Ausweisung von 2% der Landesfläche als Vorranggebiete in den Regionalplänen
- Beschleunigung der Verfahren zur Aufstellung der Regionalpläne durch die Verbesserung der finanziellen Ausstattung der regionalen Planungsverbände und konsequente Sanktionierung der Fristen durch die Landesregierung
- Verhinderung der Ausweisung von Flächen, welche die Effektivität der Nutzung einschränken, wie z.B. Begrenzung der Anlagenhöhe
Wir fordern, dass die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen in Sachsen konsequent befördert wird.
Dazu bedarf es:
- Freigabe von landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten für Freiflächenphotovoltaik
- Abschaffung der Drosselung der Einspeisung, insbesondere im Zusammenhang mit der Förderung von Speicheranlagen
- Vereinfachte Zulassung ohne Meldepflicht von Kleinst-PV-Anlagen (Balkonkraftwerken)
Wir fordern, dass die Nutzung der Wasserkraft in Sachsen als Bestandteil unserer Kulturlandschaft weiterhin zur Netzstabilität beitragen kann:
Dazu bedarf es:
- Umsetzung der Empfehlungen der vom SMUL berufenen Expertenkommission Gewässerdurchgängigkeit
- Unterstützung der Umsetzung der Gewässerdurchgängigkeit mittels Zurverfügungstellung der hierfür benötigten Grundstücke des Freistaats Sachsen
- Sicherstellung des vorhandenen und Aktualisierung des noch möglichen Potenzials der Wasserkraftnutzung