Innovationen aus Sachsen: Bürgerenergiegenossenschaft macht aus Windkraft und Biogas Wasserstoff und grünes Gas - Antrieb für die Verkehrswende in Mittelsachsen

18. Mai 2022
Innovationen aus Sachsen: Bürgerenergiegenossenschaft macht aus Windkraft und Biogas grünen Wasserstoff

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Die Mittelsächsische Bürgerenergiegenossenschaft eG vereint Bürger, die die Energiewende vor Ort unterstützen wollen. Mithilfe ihres Bürgerenergieprojekts will sie grünen Wasserstoff herstellen und regional sinnvoll verwerten.

Die Energiewende in Sachsen stockt – aber dennoch gibt es Unternehmen und Initiativen von hier, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien und innovative Energiekonzepte in Deutschland und Europa vorantreiben. Hier stellen wir sie vor.

Die Idee reifte schon lange. Bereits vor fünf, sechs Jahren sinnierten Jan Gumpert von der Agraset-Agrargenossenschaft eG Naundorf und Frank Bündig mit seiner Energieanlagen GmbH darüber, wie man die Landmaschinen der Agraset weg vom Diesel bringen könnte. Schließlich standen damals schon mehrere Windenergie-Anlagen direkt neben dem Landwirtschaftsbetrieb. Könnte man da nicht was in Richtung Wasserstoff und grüne Gase aus Windenergie und Biogas machen …?

Als dann der Landrat auf die Clean Vehicles Directive der Europäischen Union aufmerksam machte, die Verkehrsunternehmen zukünftig dazu verpflichtet, in nachhaltige und energieeffiziente Straßenfahrzeuge zu investieren, kam eines zum anderen. Denn nun hatte auch das benachbarte Verkehrsunternehmen RegioBus plötzlich Interesse an alternativen Antrieben.

Und so ging es los. Die Mittelsächsische Bürgerenergiegenossenschaft eG (MSE) wurde im Juni 2020 gegründet. Ihren Sitz hat die Genossenschaft im mittelsächsischen Erlau bei Mittweida. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, mittels nachhaltiger Energiekonzepte die regionale Vielfalt zu erhalten. Die Genossenschaft möchte Bürgerinnen und Bürger vereinen, die bereit sind, die Energiewende voranzutreiben und sich finanziell beteiligen möchten.

Als starke regional verankerte Partner sind die Agraset-Agrargenossenschaft eG Naundorf, die Energieanlagen Frank Bündig GmbH, die seit 2021 zur Sachsenenergie AG gehört, die Volksband Mittweida eG und die Regiobus GmbH Mittelsachsen mit an Bord. Ihr Ziel: Der Aufbau und Betrieb einer lokal regenerativen Energieversorgung. Die Genossenschaftsmitglieder werden zudem an den Einnahmen der Energieprojekte finanziell beteiligt.

Das Bürgerenergieprojekt: Strom, Biogas und Wasserstoff

Im Bürgerenergieprojekt steht die Stromproduktion aus den erneuerbaren Energien Windkraft und Biogas im Fokus. Der grüne Strom aus Windkraft soll die Wasserelektrolyse und damit die Produktion von grünem Wasserstoff speisen. Dieser Wasserstoff wird wiederum direkt vor Ort eingesetzt: im regionalen Busverkehr, für Landmaschinen und Traktoren. Außerdem soll es eine öffentliche H2-Tankstelle geben, an der auch Autos Wasserstoff tanken können. Da die RegioBus für den Innerstädtischen Verkehr auch über batteriebetriebene Busse nachdenkt, soll der Strom aus Wind und Biogas auch zum Aufladen dieser Fahrzeuge genutzt werden. Überschüssiger Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.

Zusätzlich zur Wasserstoffproduktion will die Genossenschaft Photovoltaikanlagen auf Dachflächen von kommunalen Kindergärten, Schulen und Sportstätten installieren. Sie sollen die dort erzeugten Grünstrom unmittelbar und preiswert zur Verfügung stellen. Zudem bietet die Genossenschaft Unterstützung beim Umstieg von fossilen auf erneuerbare Brennstoffe an. Hier liefern sie z.B. regional erzeugte Holzhackschnitzel für Heizungen.

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Quelle: MSE Mittelsächsische Bürgerenergiegenossenschaft eG

Wasserstoff eignet sich ausgezeichnet zum Ausgleichen von Schwankungen anderer erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne. Er kann gespeichert und in Folgeprodukte für den Wärme- und Mobilitätssektor umgewandelt werden. In Zukunft plant die Genossenschaft zudem die die Methanisierung des Biogases auf Erdgasqualität (grünes Gas) und Einspeisung des grünen Methangases in die Erdgasleitung oder die direkte Einleitung des Wasserstoffs in das Erdgasnetz. „Das ist aber noch Zukunftsmusik“, sagt Frank Bündig.

Volle Fahrt Richtung grüne Energie

„In Sachsen gibt es kaum vergleichbare Projekte“, sagt Frank Bündig. „Meist stecken solche Projekte oder Projektideen aufgrund vieler bürokratischer Hürden noch in den Kinderschuhen. Wir möchten die interessierten Kleinanleger in dieser Genossenschaft bündeln. Mit der Genossenschaft treten wir als einer der Kommanditisten der Gesellschaft auf, die das Projekt letztlich umsetzt und betreibt.“

In Zukunft steht das Projekt Bürgerenergie noch vor vielen Herausforderungen. Allen voran stellt die Akzeptanz der Windkraft noch immer ein Problem dar. Die MSE will dem entgegenwirken, in dem sie sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellt und in den Dialog mit den Anwohnern geht. Dazu haben sie unter anderem den Tag der Erneuerbaren Energien genutzt.

Den Start für die Wasserstoffproduktion schätzt Bündig derzeit auf das Jahr 2025. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun: Aktuell sind Potentialstudie, Gefahrenanalyse und die Vorbereitung der Projektunterlagen und des Genehmigungsverfahrens in Arbeit.


Update:

In einer früheren Version des Artikels hieß es in der Überschrift: "Innovationen aus Sachsen: Bürgerenergiegenossenschaft macht aus Windkraft und Biogas grünen Wasserstoff". Dies ist so nicht korrekt, da aus Biogas kein grüner Wasserstoff hergestellt werden soll. Frank Bündig hierzu: "Wir machen keinen Wasserstoff aus Biogas. Methanisierung von Biogas auf Erdgasqualität bedeutet, die Anreicherung des Kohlendioxid, welches zu ca. 40 bis 50 % im Biogas enthalten ist, mit zusätzlichen Wasserstoffatomen. Dadurch erhält man eine Methankonzentration von über 90%. Was Erdgasqualität entspricht."