Innovationen aus Sachsen: Liofit – allein im Kampf gegen die Akku-Verschwendung

4. Juli 2023
Innovationen aus Sachsen: Liofit – allein im Kampf gegen die Akku-Verschwendung

Nur wenige Firmen trauen sich an das Recycling von E-Bike-Akkus: Zu aufwändig, zu teuer, zu vielfältig die Eigenheiten der Hersteller. Anders die Liofit GmbH in Kamenz: Sie hat der Verschwendung von E-Bike-Akkus den Kampf angesagt.

HINWEIS: Die Geschäftsräume der Liofit wurden kurz nach der Recherche für diesen Text durch einen Brand zerstört. Die Liofit GmbH benötigt deswegen dringend finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau. Es wurde Unterstützung von der regionalen Politik zugesagt. Alle Beteiligten sind sich einig, dass Liofit erhalten bleiben soll und die Produktion schnellstmöglich wieder aufgenommen werden soll.

E-Bike-Akkus haben keinen leichten Stand: Zu sehr unterscheiden sich die Hersteller, es ist aufwändig und teuer. Das Ergebnis: Keiner kümmert sich darum. Dr. Ralf Günther, Gründer und Geschäftsführer der Liofit GmbH wollte das ändern. Seit zehn Jahren führt er das Unternehmen in Kamenz. Bis auf eine kleine Förderung wuchs das Unternehmen bisher ohne jedes Fremdkapital zum führenden Spezialisten fürs Recycling von E-Bike-Akkus in Deutschland.

„Mittlerweile sind wir in verschiedenen Gremien europaweit gefragt. Beispielsweise sind wir Mitglieder im Kompetenzcluster Recycling & Green Battery, in der Europäischen Batterieinitiative und im IPCEI-Projekt (Important Project of Common European Interest) EuBatIn.“, erklärt Ralf Günther. Seit vier Jahren leitet Sohn Rico Günther das operative Geschäft. Gemeinsam mit seinem Vater führte er interessierte Mitglieder der VEE Sachsen e. V. und des Landesverbandes der Recyclingwirtschaft Sachsen e. V. Ende Mai 2023 in die Grundlagen von Reparatur und Recycling von E-Bike-Akkus ein.

Zwei Standbeine

Die Liofit GmbH balanciert momentan auf zwei Standbeinen: Recycling und Reparatur von E-Bike-Akkus. Beide Verwertungs-Varianten starten am selben Ausgangspunkt. „Wir bekommen unsere Alt-Batterien überall her. Zunächst sichten wir sie: Ist noch was machbar? Dann kommen sie in unseren Reparaturzyklus. Wenn das nicht funktioniert, beginnen wir die Demontage zum Recycling“, erklärt Rico Günther. Aber nicht nur kaputte Akkus werden aussortiert, auch veraltete Modelle und Batterien, bei denen sich die Reparatur nicht mehr rentiert, wandern ins Recycling. Ein Zellenschnelltest ermöglicht es Liofit, festzustellen, ob ein Akku noch verwertbare Komponenten enthält, die weiterverkauft werden können.

Für die Reparatur ist es wichtig, das Gehäuse zerstörungsfrei zu öffnen. Viele Akkus enthalten noch Restenergie, die zunächst entladen werden muss. Die bei der Entladung gewonnene Energie geht aktuell in Wärme über. „Wir planen in Zukunft, die Energie wieder ins Netz einzuspeisen“, sagt Rico Günther. Jedoch ist das aktuelle Verfahren für den Recyclingprozess zu langsam. Darum hat Liofit eine Patentanmeldung für ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Tiefentladen einer Batterie eingereicht. Die Tiefenentladung ist vor allem für das mechanische Recyclingverfahren notwendig.

Liofit entwickelt Technologien für Fahrradbatterien, die Zerlegung, Entladung und Vorbearbeitung der Batterievorstufen umfassen. Dabei wird jeder einzelne Akku in einer digitalen Akkudatenbank erfasst, fotografiert und definiert. Parallel werden die Polymergehäuse nach Material kategorisiert, da bestimmte Granulierungen für neue Kunststoffgehäuse wiederverwendet werden können. Die Automatisierung dieses Prozesses gestalte sich jedoch schwierig, weil jeder Hersteller seine Akkus anders baue, so Rico Günther. „Dann gibt es noch Unterschiede zwischen den Modellen. Im Grunde genommen ist jede Batterie anders und muss entsprechend individuell bearbeitet werden.“

Die Erfahrung mit den Variationen der E-Bike-Akkus schafft Liofit einen immensen Vorteil. „Wir haben alle Akku-Typen schonmal in der Hand gehabt“, erklärt Rico Günther. Allein im letzten Quartal sortierte und verarbeitete das Unternehmen rund 20 Tonnen Akkus, Tendenz steigend. Allmählich bekomme auch die Industrie davon Wind und erkenne den Expertenstatus des Unternehmens an, so Dr. Ralf Günther. Erste Akku-Hersteller sind an Kooperationen und Wissensaustausch interessiert. Es geht um die Frage: Wie können Batterien so gebaut können, dass sie einfacher reparierbar und recyclingfähiger werden?

Reparatur für Privatkunden

Eine große Hürde beim Reparieren von Akkus besteht darin, dass oft keine Ersatzteile vom Hersteller verfügbar sind. Dennoch können viele Akkus durch Reparaturen wieder funktionstüchtig gemacht werden, da häufig nur kleine mechanische Schäden oder Softwarefehler vorliegen. „Hier kommen teils neuwertige Akkus an, bei denen nur der Aufkleber fehlt“, sagt Rico Günther. Das Problem: Viele Hersteller wollen oder können ihre eigenen Akkus nicht reparieren. „Es ist für sie einfacher und kostensparender, das fehlerhafte Produkt gegen ein neues auszutauschen“, so Ralf Günther.

Die Experten der Liofit sind erfahrene Elektrotechniker, Chemiker und Mechaniker und verfügen über das spezielle Knowhow und Werkzeug, das für die Reparatur unterschiedlicher Bauweisen erforderlich ist. Mithilfe eines selbstentwickelten Adapters können die Mitarbeitenden die Daten des reparaturbedürftigen Akkus auslesen – etwa Temperatur, Restkapazität und Restladezyklen. Diese innovative Entwicklung vereinfacht die Problem-Diagnose enorm. „Wir haben uns all das Wissen um die verschiedenen Akku-Typen über die Jahre selbst angeeignet“, erzählt Ralf Günther. „Wir sind bereit, unsere Erfahrung mit den Herstellern zu teilen, sodass zukünftig mehr Akkus ressourcenschonend repariert und recycelt werden können.“ Auch Energiesparen ist bei Liofit an der Tagesordnung: Ein Großteil des Stroms für ihre Lötkolben beziehen sie aus Abfallbatterien. So konnten sie seit dem Start rund 500 kWh einspeisen.

Die Reparatur von Akkus bietet Liofit aktuell nur für Privatkunden und kooperierende Fahrradfachgeschäfte an. Aus den Erlösen finanziert sich das Recycling. Die Kosten für Reparaturen variieren je nach Schaden, belaufen sich jedoch in der Regel auf etwa 100 bis 500 Euro.

Neue Lösungsansätze für das Recycling

Um zu verstehen, wieso die Liofit GmbH ihrer Zeit voraus ist, lohnt es sich, auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu blicken. Denn Liofit macht schon heute möglich, was die Europäische Union in Zukunft erreichen möchte. Sie plant in Kürze die Einführung einer neuen Batterieverordnung, die die bisherige Batterie-Richtlinie ersetzen soll. Das Hauptziel dieser Verordnung besteht darin, die Kreislaufwirtschaft zu fördern und das Recycling von Batterien zu verbessern. Dazu sollen neue Batteriearten, insbesondere LMT-Batterien, eingeführt werden. Des Weiteren wird eine kostenfreie Rücknahme und Entsorgung von Batterien Pflicht. Die Entnahme und der Ersatz von Batterien sollen vereinfacht werden, und für große Industrie-Batterien über 2 kWh ist ein digitaler Batteriepass vorgesehen. Die Vorgaben für die Entsorgung werden verschärft, indem die Sammelquote erhöht wird.

Eine bedeutende Neuerung ist, dass zukünftig Reparaturen an Fahrradbatterien nur von unabhängigen Fachleuten – sogenannte „Independent Professionals“ – durchgeführt werden dürfen. „Wir haben hier eine Wahnsinns-Chance, unser gesammeltes Wissen einzubringen“, sagt Dr. Ralf Günther. Sein persönliches Ziel: „Wir müssen hin zum Design for Repair. Das heißt, die Hersteller produzieren ihre Akkus so, dass sie leicht und energiesparend recycelt und weiterverwendet werden können.“